Man Down : Roman

Pilz, André, 2010
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Medienart Buch
ISBN 978-3-85218-623-8
Verfasser Pilz, André Wikipedia
Systematik LI - Literatur
Schlagworte Gewalt, Liebe, Roman, Freundschaft, Rebellion, Drogenkonsum, Betrug, Alkoholismus, Leidenschaft, Wohlstandsgesellschaft
Verlag Haymon
Ort Innsbruck
Jahr 2010
Umfang 275 S.
Altersbeschränkung keine
Sprache deutsch
Verfasserangabe André Pilz
Beigaben Empfehlung: ab 18 Jahren
Annotation Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html);
Autor: Cornelia Gstöttinger;
Der junge Dachdecker Kai, seit einem Unfall arbeitslos, tanzt über dem Abgrund und fällt tief, sehr tief. (DR)
Nach einem schweren Arbeitsunfall schlittert der 25-jährige Dachdecker Kai immer tiefer ins Dilemma und findet sich mit einem Mal am Rande der Gesellschaft wieder: Von starken Schmerzen geplagt, unfähig, in seinem alten Beruf zu arbeiten, wird er um den Lohn der letzten 6 Monate betrogen: Die Firma ist bankrott, die Verantwortlichen über alle Berge, die Schulden häufen sich. Um die Miete für seine heruntergekommene Wohnung zu bezahlen, leiht er sich Geld von seinem Kumpel Shane. Dessen zwielichtige Brüder zwingen Kai fortan zwecks Schuldentilgung Drogen zu schmuggeln. Bei seinen Kurierdiensten lernt er Marion, hübsch, sexy, aber auch ein wenig unnahbar, kennen, und alles scheint gut zu werden. Doch auch sie, sein Mädchen, hat ein dunkles Geheimnis...
Es sind kaputte, vom Leben gebeutelte Menschen, die sich nach Normalität sehnen, die in dieser Geschichte um Liebe und Gewalt, Macht und Abhängigkeit im Zentrum stehen: "Und dann habe ich mich gefragt, wann ich das letzte Mal richtig glücklich war. Es ist so verdammt lange her. Aber ich bin auch nicht unglücklich. Das ist keine Zeit, sich unglücklich zu fühlen. Das ist keine Zeit, überhaupt etwas zu fühlen. Man will nur überleben. Man will nur nicht untergehen." (S. 33) Bei seinem Kampf ums Überleben und gegen Existenzängste sind Alkohol, Gras, Schmerztabletten und die Liebe Kais einzige Waffen.
André Pilz braucht die Unmittelbarkeit beim Erzählen, er schreibt voller Emotionen, mit einer gewaltigen Wut im Bauch, ohne Distanz zum Erzählten. Soziale Ungerechtigkeit, Armut, Rassismus, Sucht, Prostitution, illegale Drogengeschäfte, kaputte Familien - all das greift Pilz hier auf. Ihm ist an einer möglichst authentischen Milieuschilderung gelegen, der mitunter derbe Slang, ein sehr direktes Erzählen und eine radikale, schonungslose Darstellungsweise gehören wohl dazu und rütteln wach. Der aus der Ich-Perspektive geschilderte Roman enthält aber auch eindringliche, beinahe poetische Passagen. Vor allem die eingestreuten Briefe, die der Ich-Erzähler Kai an seinen toten Stiefbruder schreibt, offenbaren seine verletzliche Seite, zeugen von seiner Angst und tiefen Verzweiflung.
Die dramatischen Entwicklungen gegen Ende des Buches wirken für meinen Geschmack aufgesetzt, man mag sie aber angesichts der Ausweglosigkeit, die über dem gesamten Plot schwebt, als konsequent ansehen. Harte, geschmacklose Szenen, die sich in der zweiten Hälfte des Romans häufen - vor allem jene, in der Kai Marion auf erbärmlichste Art erniedrigt - widern jedoch einfach nur an und schrammen an der Grenze des Erträglichen vorbei. Jede Bücherei wird selbst prüfen müssen, ob sie diesen harten Roman ankaufen will.

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Quelle: Pool Feuilleton;
Manche Romane zielen in keine Richtung, sie explodieren als Rohrkrepierer samt der erzählerischen Abschussrampe.
André Pilz's Roman über die kaum ausgeleuchtete Szene am sogenannten gesellschaftlichen Rand verträgt durchaus eine Einleitung aus dem Waffenwesen, denn es geht ordentlich brutal, gewalttätig und desaströs zu.
Für Kai hat sich die Welt vollkommen verändert, seit er als Dachdecker vom Dach gefallen und arbeitsunfähig geworden ist. Sofort sind bei Kollegen in der Szene Schulden entstanden, die gnadenlos eingetrieben werden. Kai bleibt nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel zu beißen und sich als Drogenkurier zu verdingen. In regelmäßigen Abständen pendelt er zwischen der Schweiz und München hin und her, wird natürlich sofort aufgegriffen und amtsbehandelt und gibt in seiner Verzweiflung seine türkische Freundin Marion als Drahtzieherin an, was noch Folgen haben wird.
Überhaupt ist das Verhältnis zu Marion ein wildes. Zwischen sexuellen Orgien kommt immer wieder bodenlose Ohnmacht auf, seit jemand behauptet hat, es handle sich dabei um eine Internet-Prostituierte.
Der Roman fetzt in speedigen Dialogen quasi am Leser vorbei, oft geht es so atemlos zu, dass man als Leser den Faden verliert, denn die Figuren wechseln mit ihren durchgedrehten Sinnen ständig die Ebenen der Wahrnehmung.
In der Hauptsache spielt sich das Desaster in einem Studentenheim ab, worin Typen wohnen, die fünfmal in der Woche stoned und zweimal blau sind. Den Rest der Zeit verbringen sie an der Uni.
Überhaupt sind die Rituale des Umgangs der Figuren miteinander, die codierte Sprache und der ständige Wechsel der Kulturen etwas, was ein bedächtiger Leser nur mit Mühe schafft. Ständig wechselt die Szene zwischen Neonazis, Türken, Kanaken und No-name-Identitäten hin und her.
Kai versucht zwischendurch seinem Bruder in Innsbruck etwas in Briefform mitzuteilen, in diesen Texten glüht ein anderes Leben auf, wo vielleicht noch Lektüre und Ordnung geherrscht haben, während es jetzt bloß noch Kopfsausen und Herzrasen gibt, die Drogen sind allgegenwärtig. So nickt Kai beispielsweise einmal kurz ein, fühlt sich in einem abgrundtiefen Schlaf und als er auf die Uhr sieht, ist es Nachmittag. Jede übliche Zeiteinteilung ist obsolet geworden.
Auch Innsbruck kommt in einem saloppen Dialog zu jener Würde, die dieser Stadt zusteht:
"Was willst du in Innsbruck?
Muss da was klären.
Ich verstehe. Jeder Mann hat seine Leichen im Keller.
Ich habe nur eine, aber die stinkt für zehn." (196)
In dieser beschleunigten Lebensweise werden die Figuren allesamt an den Rand gespült wie nach einem Schleudervorgang einer gesellschaftlichen Zentrifuge.
André Pilz erzählt rasant, speedy, voller Feuer, es gibt keine Tabus und der Text liegt tollkühn auf einem Sturm voller Aufwind. Jegliche Moral und dokumentarische Fiktion werden hintangestellt, wenn es darum geht, die Figuren in die Zukunft zu schießen. Als Leser ist man hingerissen von dieser Geschwindigkeit, diesem Small-talk des Wahnsinns. Romane wie Man Down reinigen die verkalkten Lektüreadern und machen jung und wild wie nach einer Droge!
Helmuth Schönauer
Exemplare
Ex.nr. Standort
16609 LI, Pil

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